Wer oder Was ist ein Original ??? Was ist ein Original? In Berlin nennt man sie „Orjinaale“ - diese mysteriösen Wesen, die angeblich immer seltener werden, so selten, dass einige behaupten, sie seien vom Aussterben bedroht. Die „Gartenlaube“, Deutschlands erste Illustrierte aus dem Jahr 1864, hatte schon damals eine Eingebung: Früher waren die Originale noch origineller – so wie alles früher sowieso besser war. "Schaut mal, ein original Berliner Drehorgelspieler!", hallte es durch die Balkontür, und schon stand eine kleine Menschentraube auf dem Balkon, um den „original Berliner Drehorgelspieler“ zu bewundern. Das war ich, auf dem Rasen einer Berliner Wohnsiedlung. Bin ich wirklich ein „Original“? Ich fand die Bezeichnung zunächst schmeichelhaft, bis ich mal genauer darüber nachdachte. Für mich bedeutet „Original“ in erster Linie: Einmalig. Eine Bezeichnung, die mich ehren könnte, aber im Nachhinein betrachtet, dachte ich: "Moment mal, bin ich wirklich so einzigartig?" Also ab zum ehrwürdigen Duden, um die genaue Definition zu erfahren: 1 . Im Hinblick auf Beschaffenheit, Ursprung oder Herkunft, echt und unverfälscht; nicht imitiert, nachgemacht. (Ich bin zwar Berliner in der 3. Generation, aber ich spiele doch nur nach, was Drehorgelspieler vor mir schon gemacht haben.) 2 . In seiner Art eigenständig und schöpferisch. (Schöpferisch? Na ja, so neu ist meine Musik auch nicht, ich spiele Notenrollen mit Musik, die andere komponiert haben...) 3 . Im Hinblick auf die Umstände ursprünglich, unmittelbar. (Ich spiele nicht vorbestellt, also im ursprünglichen Sinne unvermittelt auf einem Hof.) Und dann las ich über die Defininition des Brockhaus-Bilder-Conversations-Lexikon von 1839, das Originale als Menschen beschrieb, ...die sich durch Originalität ihrer Denkungsart oder ihres Benehmens auf eigentümliche und auffallende Weise vom Gewöhnlichen entfernen… (Nun ja, ich bin sicherlich ungewöhnlich, - mit einer Drehorgel und in meinem Kostüm auf dem Hof…)
Aber auch wenn ich vielleicht gemäß einigen Kriterien den Anforderungen des Dudens und des Brockhaus entspreche, bin ich dennoch nicht „DAS Original“. Es gibt viele Andere, berühmte Berliner Drehorgelspieler (deren Liste hier zu lang und unvollständig wäre). Doch ich möchte hier mein ganz persönliches Original erwähnen: Es ist jener unbekannte Drehorgelspieler, dessen Spiel mich mit ca. 16 Jahren auf „unserem“ Hof in Berlin- Friedenau begeisterte, und den ich damals mit meiner neuen Kamera fotografierte. Aber auch wenn ich kein Original, also ein Nachahmer bin, spiele ich meine „original Berliner Drehorgel“ (schließlich habe ich sie ja in Berlin in meiner Kellerwerkstatt selbst gebaut) mit Begeisterung. Und wenn sich dabei mit meinen Zuhörern Gespräche oder sogar noch einige nette gegenseitige Blödeleien ergeben – dann bin ich vielleicht für diesen Moment doch ein „Berliner Original“. Denn manchmal reicht es aus, ein wenig Spaß und Freude zu verbreiten, um selbst zum Original zu werden. Und so gilt es doch für alle Leierkastenmänner und -frauen: Drehorgelspielen mit einer ordentlichen Prise Fröhlichkeit und Lebensfreude – das ist auf alle Fälle originell !
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